Eintrag & Kommentare

WOHNEN - EINE ÖFFENTLICHE AUFGABE

Von annetteweinreich, 10.12.2011, 14:30

Für diesen Satz bin ich bei einer Sitzung letztens regelrecht ausgelacht worden.
Dabei nehmen die sozialen Herausforderungen beim Wohnen kontinuierlich zu.

Deutschland galt lange als gerechte Gesellschaft. Jetzt werden laut OECD die Unterschiede zwischen Arm und Reich aber immer größer.

Die Einkommensschere geht immer weiter auseinander

In Deutschland ist die Einkommensungleichheit seit 1990 schneller gewachsen als in anderen wohlhabenden Industriestaaten. Das ist das Ergebnis einer ganz aktuelle Untersuchung der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), einer Denkfabrik der Industrienationen.

Hinzu kommt der demographische und gesellschaftliche Wandel.

Früher hat  der Staat mit dem Sozialen Wohnungsbau den sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern versucht. Die Rücknahme entsprechender Förderungen kann aber diesen Fragen von Integration und zunehmender Verarmung nicht mehr gerecht werden.

Überlässt man jedoch die Wohnraumversorgung allein dem Kapitalmarkt führt dies zwangsweise zu Segregation.


Gerade aber die Integration sozial benachteiligter Bevölkerungsschichten
ist die wichtigste Aufgabe eines erfolgreichen Sozialstaates.

Wir müssen dem höchst problematischen Trend entgegensteuern, dass es immer weniger gemischte Wohnquartiere in der Stadt gibt.

Die Wohnungswirtschaft und die Politik muss sich die Frage stellen, ob sie für die gesellschaftlichen wie auch sozialen Herausforderungen gerüstet ist.

Heiner Geißler sagte mal, anlässlich einer Veranstaltung der Wohnungswirtschaft in Hessen, den schönen Satz: „Das Kapital muss dienen, nicht beherrschen“.

Die Gefahr der Ökonomisierung bedroht die Wohnungswirtschaft. Das Wohnen ist aber eine öffentliche Aufgabe.

Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass ihnen bezahlbarer und angemessener Wohnraum zur Verfügung gestellt wird.Nur so ist- speziell in Zeiten von Verunsicherung und Kapitalvernichtung durch Turbokapitalismis – ein friedliches Miteinander in unseren Städten möglich.


Anonym(Gast), 25.12.2011, 11:57

Schöne Weihnachten !

[keine Optionen]



Mark Phillips(Gast), 09.12.2011, 17:42

Liebe Annette,

die Konfrontation zwischen Wohnen als öffentlicher Aufgabe und der Bedrohung der Wohnungswirtschaft durch die Ökonomisierung kann auf das gesamte Bauwesen ausgeweitet werden. Ein Beispiel: in Stuttgart besteht derzeit die Gefahr, dass langjährige Pächter in Landesimmobilien hauptsächlich aus rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten gekündigt werden und die Pacht anschließend gegen Höchstgebot ausgeschrieben wird.

Von einem gesellschaftlichen Bewusstsein und einer sozialen Verantwortung den Pächtern und ihren Mitarbeitern gegenüber kann kaum die Rede sein. Die wirtschaftlichen Zwänge haben sich bis in die Landesstiftung Baden-Württemberg ausgebreitet, die Eigentümer von vielen Immobilien des Landes ist. Von einer Verarmung unserer Städte und unserer öffentlichen Räume, die durch die Überlassung dieser an rein wirtschaftliche Interessen, gar nicht zu sprechen.

Wie lange musste in Stuttgart gerungen werden, dass für große gewerbliche Immobilien-Investoren-Projekte eine Quote für Wohnungen eingeführt wird und wie sehr hat sich die Immobilienwirtschaft dagegen gewehrt. Wie lange müssen wir noch auf gute Innenstadtkonzepte warten, die festlegen, wie ein Investor mit uns als Gesellschaft, mit uns als Stadt und mit uns als Menschen umzugehen hat und welche Regeln wir ihm auftragen.

Diese Phänomene haben sich nicht allein auf Grund der Wandlung von Immobilien zur Geldanlage aufgetan (- diese Geldanlage muss ja nun als Immobilienfond gegenüber Aktien, Derivate, und sonstigen spekulativen Objekten eine Rendite einfahren). Meiner Ansicht nach handelt es sich um ein gesellschaftliches Phänomen des Mangels an Bewusstsein.

Durch die die steigende Komplexität unserer gesellschaftlichen Zusammenhänge sind wir uns der Konsequenzen unseres Handelns nicht mehr bewusst. Dies trifft insbesondere auch auf politische Gremien zu, die die Konsequenzen von Entscheidungen zur Förderung oder zur Bestrafung oder zur Besteuerung immer weniger Überblicken können. Es trifft in diesem Zusammenhang auch zu, hinsichtlich der fehlenden Bereitschaft als öffentliche Hand die soziale und gesellschaftliche Verantwortung wahr zu nehmen, allen Bürgern einen bezahlbaren und lebenswerten Wohn- und Lebensraum zur Verfügung zu stellen.

Und es trifft insbesondere zu hinsichtlich der fehlenden Bereitschaft politischer Parteien, Gruppierungen und führenden Mitgliedern unserer Stadtgesellschaft, sich dieses Themas anzunehmen und Stellung zu beziehen. Wir finden gerade in Baden-Württemberg viel zu wenig öffentliche Anteilnahme an den Planungen unserer Stadt, viel zu wenig echte und aktive und vor allem konstruktive Beteiligung an den Veränderungen unseres Lebensraumes und viel zu wenig Baubürgermeister, die ihr Fach verstehen und dafür auch einstehen.

Welchen Standpunkt haben denn die öffentliche Hand und die beteiligten Personen hinsichtlich der kommenden Veränderungen und Planungen?
Woran möchte sie sich messen lassen?
Welchen Standpunkt haben die einzelnen Parteien in diesem für alle Bürger so wichtigen Themenkomplex?

Ich sehe hier bedauerlicherweise mehr Fragen als Antworten. Und ich sehe das Phänomen, dass viele sich kaum noch auf das Urteil von Fachleuten verlassen, die in diesen komplexen Zusammenhängen Erfahrung haben. Diese Fachleute - Architekten und Stadtplaner - sind in der Lage uns Möglichkeiten aufzuzeigen, wie unsere Städte, unsere Häuser und das Wohnen in der Zukunft aussehen können.

Lasst sie wieder machen und lasst uns danach darüber diskutieren.

[keine Optionen]



Kostenloses Blog bei Beeplog.de

Die auf Weblogs sichtbaren Daten und Inhalte stammen von
Privatpersonen. Beepworld ist hierfür nicht verantwortlich.