Eintrag & Kommentare

Redebeitrag bei der LDK in Aalen

Von annetteweinreich, 10.10.2011, 15:50

Bürgerbeteiligung im Planungsprozess

Wer in der Bau-Praxis mit Bürgerbeteiligung zu tun hat weiß, wie unterschiedlich die Interessen oft gelagert sind.
JA wir wollen ein Pumpspeicherkraftwerk, aber nicht an diesem Standort,
JA wir wollen Innenentwicklung vor Aussenentwicklung, aber nicht vor unserer Haustüre,
JA wir wollen bezahlbaren Wohnraum in unseren Städten, aber bitte kein Geschosswohnungsbau mit Sozialwohnungen in meiner Nachbarschaft.

Wenn es darum geht, die eigenen Interessen durchzusetzen, wird der Begriff „Bürgerbeteiligung“ oft missbräuchlich verstanden.
Oft werden die Kommunalpolitiker dafür instrumentalisiert, die jeweiigen Eigeninteressen durchzusetzen. Leider lassen sich viele Politiker aus purem Populismus vor jeden Karren spannen, der sich irgendwie mit Bürgerbeteiligung verknüpfen lässt.
Es reicht nicht, den Weg zu beschreiben, welchen die Informationen nehmen sollen, und die Bürgerschaft zu informieren. 
Wir brauchen eine politische Kultur, bei denen sich die Menschen ernst genommen fühlen und gerade deswegen müssen wir plausibel machen, welchen Interessen  - oder auch übergeordneten Zielen - das jeweilige Vorhaben dient.
Es muss jedem klar sein, dass man trotz einem Höchstmaß an Bürgerbeteiligung, es nicht immer jedem recht machen kann. Unbequeme Entscheidungen können aber eher akzeptiert werden, wenn man die Hintergründe versteht.
Je früher die Bürgerschaft in diesen Prozess eingebunden wird und je mehr Alternativen zum Erreichen der Ziele vorgelegt werden können, desto größer ist die Chance, einen – für die meisten - akzeptablen  Weg zu finden.
Bürgerbeteiligung ist auch politische Überzeugungsarbeit, Ehrlichkeit und Transparenz.


Anonym(Gast), 13.11.2011, 13:46

Hallo,

zu Ihrer Frage bezüglich der Geschossflächenzahl (GSZ) von 1,5. Die hat Herr Jeschek in der Bauauschusssitzung so benannt, mit dem Zusatz, es handle sich ja um eine noch sehr moderate Verdichtung, in der Innenstadt gäbe es Werte bis 3.0.
Letzteres ist zwar richtig, aber da handelt es sich auch nicht um allgemeine Wohngebiete.
Nachzulesen ist der Wert übrigens auch in der Beschlussvorlage zur Bauauschussitzung vom 23.08.2011.
Bei der extremen Baudichte ist auch nicht zu vermuten dass sich die Verwaltung hier geiirt hat.

Und zur Grundflächenzahl (GRZ).
Nur den § 17 zu lesen du zu zitieren ist zu kurz gegriffen.
Die klare Definition der GRZ steht im §19. Und dort ist auch die Rechenregel benannt, nach der die Überschreitung der GRZ bis zu 50% unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist.
Und das ergibt für ein allgemeines Wohngebiet mit einem oberen Wert der GRZ von 0,4 eben 0,6.

Allerdings steht dort auch ein maximaler Wert von 0,8. Diese Kappungsgrenze ist kann aber nach der genanten Rechneregel in allgemeinen Wohngebieten nicht erreichen werden und ist für dieses deshalb nicht relevant.

Diese Gesetze sollten bekannt sein.
Sie sind dem Gemeinderat spätestens seit dem Bebauungsplanverfahren zur Marchtaler Straße auch schriftlich noch einmal ausdrücklich benannt.
Man kann sich deshalb auch nicht mehr herausreden, man habe es nicht gewusst, nicht gelesen oder falsch verstanden.

Und zum §17.

Ja,- die von Ihnen zitierten Ausnahmeregelungen sehen vor, dass man die Obergrenzen überschreiten kann. Aber nur im o.g. Rahmen und nur, wenn die von Ihnen genannten Bedingungen vorliegen.
Solche gibt es aber z.B. für die Marchtaler Straße nicht,
zu 1.
Es handelt sich um ein ganz normales Wohngebiet, ohne städtebauliche Besonderheiten und Anforderungen, aber mit Nachbarn, die Vertrauensschutz genießen.
Zu 2.
Der Bebauungsplan bzw. die Planungen zeigen keine Maßnahmen, mit denen die Überschreitung der Werte ausgeglichen würde. Es wir einfach nur umäßig dicht gebaut.
Zu 3.
Es stehen aber eben (s.o.) öffentliche Belange entgegen. Nachbarschaftsschutz, unzulängliche Verkehrserschließung usw.

In Ulm, das zeigen fast alle neueren Bebauungspläne, werden Gesetze offensichtlich immer sehr selektiv gelesen und interpretiert. Immer an die oberste Grenze der zulässigen Wert (oder auch darüber) oder bei Minimalwerten (z.B.) den Abstandsflächen immer an den untersten Werten. Dabei wird zusätzlich jede Möglichkeit von Über- oder Unterschreitungen genutzt.

Sparsamer Umgang mit Flächen mit Flächen, Innenentwicklung vor Außenentwicklung sind hier gerne benutzte Phrasen um die ganz offensichtliche eigentliche Grundeinstellung - alles was dem Bauherren nützt und die wirtschaftliche Ausnutzung der Grundstücke erhöht, wird erlaubt - zu verstecken.
Komischerweise allerdings nicht für „kleine“ Bauherren, bei denen werden alle Vorschriften penibel eingehalten.
Ich bin ein Schelm, ich weiß – ich denke böses dabei.

[keine Optionen]



annetteweinreich, 16.10.2011, 18:50

lieber anonymer Gast,

zunächst bedanke ich mich für Ihren Kommentar. Weil ich für absolute Transparenz stehe, diskutiere ich gerne und ganz speziell in diesem öffentlich zugänglichen Raum.
Es tut mir leid, wenn Sie hier eine "Arroganz der Macht" verspüren. Aber Bürgerbeteiligung bedeutet eben auch, alle Seiten zu beleuchten.
Indem ich diese Erklärungen hier abgebe, versuche ich auch unsere Seite darzulegen und zu begründen.
Auch wenn das nicht immer gefällt, kann ich zu dieser Haltung eher stehen, als zu der Vorgehensweise vieler Kollegen, die, je nach dem in welchem Stadtteil sie wohnen, das eine Vorhaben ablehnen und das andere befürworten.
Es ist der Versuch eine grundsätzliche Haltung zu der Thematik Innenverdichtung verständlich zu machen.

Zu Ihrem direkten Fall würde mich interessieren, wie Sie auf die GFZ 1,5 kommen.
Die Erhöhung der GRZ von 0,4 auf 0,8 wird im schriftlichen Teil des B-Planes begründet.
Auch in der BNVO steht bezüglich der Obergrenzen für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung in eben dem von Ihnen erwähnten §17:
Die Obergrenzen des Absatzes 1 können überschritten werden, wenn

1.
besondere städtebauliche Gründe dies erfordern,

2.
die Überschreitungen durch Umstände ausgeglichen sind oder durch Maßnahmen ausgeglichen werden, durch die sichergestellt ist, daß die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht beeinträchtigt, nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt vermieden und die Bedürfnisse des Verkehrs befriedigt werden, und

3.
sonstige öffentliche Belange nicht entgegenstehen.



Insofern verwehre ich mich dagegen vorsätzlich gegen Gesetze zu handeln:

[keine Optionen]



Anonym(Gast), 14.10.2011, 14:38

Ich lese ein wenig von der Arroganz der Macht.
Tatsächlich sollte man Bürgerbeteiligung nicht so sehen, dass sich die "Dummen" auch mal zu Wort melden dürfen und Ihre Zustimmung zu den Entscheidungen von "oben" geben dürfen.
Nein - Bürgerbeteiligung richtig verstadnen heißt:
Anregungen der Bürger aufnehmen und die eigenen Einstellungen und Haltungen überdenken, bevor man entscheidet.
Wenn man sich als Volksvertreter vorrangig in der Rolle sieht, denen da unten unbequeme Entscheidungen zu verklickern, verliert man sich in selbstgefälligen Positionen.
Dann passiert es, dass man als Stadtrat - wie zuletzt beim Projekt marchtaler Straße in Ulm - gesetzeswidrige Entscheidungen fällt, weil man Bürgereinsprüche abtut und falsche Verwaltungsmeinungen verteitigt.
Detail:
Für das Gebiet Marchtaler Straße wurden GRZ von 0,8 festgesetzt. Die GSZ erreicht 1,5.
Tatsächlich läßt die BauNVO (§$17,19)in allgemeinen Wohngebieten zu:
GRZ 0,4 + max 50% für TiGa, Stellplätze und Zufahrten, also in Ausnahmefällen bis 0,6.
Die GSZ darf 1,2 nie überschreiten.

In Kenntnis entsprechender Einwände handeln Bürgervertreter vorsätzlich gegen die Gesetze.

[keine Optionen]



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